Hallo meine Lieben,
ich weiß nicht, wo ich sein werde,
wenn dieser Post hochgeladen wird, aber im Moment sitze ich auf dem
Boden neben meinem Bett, um mich herum halb gepackte Koffer. Es ist
schon Montagabend. Ich hasse packen. Vor allem, wenn ich gar nicht
gehen will.
In den letzten Tagen haben ich mich vor
allem verabschiedet, was so unglaublich surreal ist. Ich bin doch
noch hier!? Und doch werde ich so viele Leute nicht mehr sehen, bevor
ich in dieses Flugzeug steige. Andererseits...
Andererseits wurde ich da grade zum
Fufu essen gerufen. Und plötzlich sitze ich Flugzeug, höre
togoische (und andere westafrikanische) Lieder auf voller Lautstärke
und weiß nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll.
Tränenüberströmt, weil ich die coolste und tollste und beste der
WG der Welt habe, die es sogar schafft das ich, die selten weint,
sich nicht mehr einkriegt. Und ich weiß das hier wird nicht nur ein
Post über die Abschiede, sondern vor allem eine Liebeserklärung an
meine
WG.
Alles begann vor sieben Monaten, als
die letzte Gruppe ankam und damit unsere WG komplett wurde. Alina,
Lea, Valentina, Patricia, Stella, Cindy und ich. Ein Haufen Mädels,
der nicht unterschiedlicher sein könnte und doch zusammen passt. Bin
ich ehrlich, hätte ich nicht gedacht, dass sieben Mädels in einer
WG funktionieren kann und obwohl auch wir natürlich manchmal unsere
fünf Minuten haben, klappt es doch so unglaublich gut. Wir lachen
und weinen zusammen, regen uns auf und beruhigen uns gegenseitig. Wir
wischen Tränen weg, pflegen die Kranken, kämpfen in der Küche und
mit dem Putzplan. Aber noch öfter sieht man uns zusammen sitzen,
reden und lachen. Sei es auf der Terrasse oder im Flur, wenn es
draußen zu heiß ist. Nicht einmal habe ich mich in der WG einsam
gefühlt. Wir sind Süßlinge und die einzig wahre
Schweißschwesternschaft.
Fünf Monate wohnten wir in dieser
Konstellation, bis Stella ihren Platz bei uns aufgab und Katharina
damit die Möglichkeit ihre Situation zu verbessern. Sie tauschten
ihre WG-Plätze. Mit einem weinenden Auge verabschiedeten wir Stella.
Und mit einem lachenden Auge begrüßten wir Katharina.
Sie fand schnell ihren Platz bei uns,
was auch daran lag, dass sie schon vorher oft bei uns war. Ohne
holprige oder komische Übergänge ging es weiter. Lachen, reden,
austauschen und diskutieren, weinen und trösten, pflegen und
füreinander da sein.
So viel hätte ich in den letzten
Monaten ohne diese Mädels nicht geschafft. Und ja, ich fliege
trotzdem früher nach Hause. Aber manchmal nimmt das Leben Wege, die
wir so nicht vorher gesehen hatten. Das tut weh, ist tränenreich und
alles andere als leicht. Aber man kann sich dagegen auch nicht
wehren. Deswegen sitze ich jetzt in diesem Flugzeug.
Wäre es nicht für diese Mädels,
hätte mich wahrscheinlich nichts davon abgehalten schon im Januar
oder Februar abzureisen - nichts, außer meiner Arbeit vielleicht -,
aber ich wollte es unbedingt versuchen.
Es gibt so viel was ich vermissen
werde. Mittagspausen, bei denen ich vor allem auf Lea und Koliko
zählen kann. Allabendliche Zimmergespräche mit Alina, wenn ich
nicht grade auf der Arbeit schlafe. Die beste Asia-Pfanne von
Valentina, die ich immer noch nicht kochen kann (Vale, du musst wohl
oder übel ein Rezept schreiben und mir schicken). Gemeinsames
Abendessen auf der Terrasse. Ein Haus, das so ziemlich nie leer ist.
Den Schlüssel im Schlüsselloch zu hören, auf die Uhr zu gucken und
zu wissen, wer nach Hause kommt – ja, meine Ausgleichstage haben
dafür gesorgt, dass ich den Tagesablauf von jeder aufschreiben
könnte. Das Wissen, dass immer jemand für mich da ist. Und noch so,
so, so viel mehr.
Zum Abschied habe ich von diesem
verrückten Haufen ein Buch mit Bildern aus den letzten Monaten und
Briefe von ihnen und anderen bekommen. Abgesehen davon, dass ich mich
nicht mehr auf den Beinen halten konnten, weil sie mich so
überwältigt haben, hat Alina geschrieben, dass es heißt: „'Weine
nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war.' Wenn
es danach geht, grinse ich ganz breit.“ Ich kann mich ihr da nur
einschließen. Deswegen wische ich jetzt meine Tränen weg und
erinnere mich an all das Tolle was war und noch kommen wird.
Ich habe so unglaublich tolle Freunde
(auch außerhalb der WG) gefunden, die immer einen Platz in meinem
Herzen haben werden. Weil sie es verdienen. Alle. Ich werde sie
wiedersehen, da bin ich mir sicher.
Bevor ich aber noch mehr kitschige
Sprüche raushaue, von denen mir grade viele einfallen – und sie ja
auch irgendwo richtig sind und ihren Ursprung haben -, schreibe ich
lieber, was ich in den letzten Tagen alles gemacht habe. Ein Abschied
kann nämlich ganz schön anstrengend sein.
Mädels ich weiß, dass ich mich
regelmäßig wiederhole, aber auch hier nochmal. Ein riesiges,
riesiges Dankeschön für all das, was ihr in den letzten Monaten für
mich getan habt!
Die Woche davor: Alles fing mit dem
Montagabend an, an dem wir das letzte Mal als WG zusammen saßen.
Patricia ist nämlich am Dienstag mit ihrer Familie auf Reise
gefahren und bleibt noch bis zum kommenden Wochenende, ist also nicht
bei meinem Abflug dabei gewesen.
Ansonsten habe ich mich mit Freunden
getroffen. Sei es bei ihnen Zuhause oder auf dem Grand Marché, um
die letzten Mitbringsel zu kaufen. Ich war sowohl mit meinem
Koordinator als auch mit der lieben Lea essen.
Der Mittwoch war ein voller Tag. Der
Morgen fing mit der letzten réunion auf der Arbeit an. Es war ein
komisches Gefühl sich von meinen Kollegen zu verabschieden, auch
wenn klar war, dass ich nachmittags nochmal welche sehen würde. Ich
bin nämlich nochmal ins Projekt, um mich endgültig von den Jungs zu
verabschieden. Ich wollte so viel Alltag und so wenig
Abschiedsschmerz wie möglich. Also bin ich erst mal mit den Garten,
als einige der Jungs dorthin sind. Der einzige Unterschied war, dass
ich meine Kamera dabei hatte und deswegen natürlich auch Bilder
gemacht wurden. Wir haben Maniok ausgegraben, wobei das 'wir'
übertrieben ist. Sie haben es getan. Ich durfte die Gerätschaften
nur für das Foto anfassen, sonst ist es strengstens untersagt, dass
ich auch nur irgendwas anfasse, was mit Arbeit zu tun haben könnte.
Oder tragen. Aber das ist ein anderes Thema. Letztendlich bin ich
doch nicht um den Abschiedsschmerz herum gekommen und habe meine
Jungs versammelt. Abschiedsfotots, ganz viele liebe Worte, Nummer und
Facebook-Namen abgeben, Süßigkeiten für die Jungs und schon war
ich weg. Kurz und schmerzvoll. So sehr ich mir es auch wünsche, ich
weiß, dass es Jungs gibt, die ich nicht mehr wiedersehe, obwohl ich
sie nie vergessen werde.
Damit war der Mittwoch aber noch nicht
beendet. Schnell nach Hause, umziehen und ab zu Midjo. Zu meinem
Abschied gab es nämlich noch spontan ein spectacle. Ich habe mich so
unendlich gefreut, weil es ein unglaublich toller Abschied war. Noch
einmal mit meiner Midjo-Familie tanzen und spielen, lachen und Spaß
haben. Als dann am Ende Etiam, der president, mich verabschiedet hat,
konnte ich mir das ein oder andere Tränchen nicht verkneifen. Als
Abschied gab es eine Laptop-Tasche aus pagne mit Midjo Togo drauf
genäht. Wir ignorieren einfach den Fakt, dass sie nicht passt und
mein nächster Laptop wird kleiner.
Der Sonntag und der Montag waren
durchgeplant und doch wurden die Pläne über den Haufen geworden.
Aber alles erledigt.
Eigentlich wollten wir am Sonntagmittag
zum Strand und danach zu Yannicks Restaurant, welches in der Nähe
ist, damit ich mich verabschieden kann. Außerdem strahlt er immer
so, wenn wir bei ihm sind. Abends wollte ich dann zur 5er-WG und
danach noch andere Freunde treffen. Der Montagvormittag sollte mir
packen starten, mittags noch einmal zu Christian, zusammen mit Chryst
und Alina plus Familie zum Mittagessen. Nachmittags weiter packen und
abends Fufu mit den tollsten Mädels. Soweit so gut. Aber dann kam
das Wetter. Von wegen April ist der heißeste Monat und es fängt
erst im Mai oder Juni an zu regnen. Das Wetter spielt verrückt,
weswegen es die letzten Tage schon das ein oder andere Mal geregnet
hatte. So auch am Sonntag, der Strand fiel also aus.
Stattdessen haben Lea, Vale, Katharina
und ich spontan einen Film geguckt und danach ging es zum Restaurant
von Yannick, den konnten wir ja auf keinen Fall versetzten. Nach der
leckeren Pizza und dem geschenkten Cocktail ging es wieder zurück.
Ich bin zur anderen WG gefahren und habe mich dort verabschiedet.
Abends haben wir uns noch mit Freunden getroffen.
Am nächsten Morgen ging es dann früh
weiter. Um 7h um genau zu sein, denn den Strand konnte ich ja nicht
auslassen, weswegen kurzerhand das Frühstück an den Strand verlegt
wurde. Lea, danke für diese wunderbare Idee! Als wir uns auf den Weg
machten war es grau und frisch, wir hatten also Pullis dabei. Kaum am
Strand angekommen strahlte die Sonne vom Himmel und nach dem Essen
waren wir schnell im Wasser.
Mittags ging es wieder zurück, ich bin
aber nicht direkt mit zu Christian, irgendwann musste ja mal der
Koffer begonnen werden. Nachmittags aber bin ich dazu gestoßen –
und nein, meine Koffer waren noch lange nicht fertig.
Abends ging es dann weiter. Während
des Prozesses haben Alina und ich beschlossen nochmal einen Nacht auf
der Dachterrasse zu schlafen, was mir sehr entgegen kam. Einerseits
ist es wunderschön und andererseits konnte ich so mein Bett ohne
Probleme als Pack-Ablage benutzen. Kaum hatte ich eine Pause
eingelegt und den ersten Absatz geschrieben, wurde ich auch schon zum
Essen gerufen. Vale und Cindy haben für mich – und die anderen
natürlich auch - in der Küche gekämpft und Fufu (Yams gekocht und
zum Fufu-Mix gebracht, zum Stampfen haben wir erstens nicht die
passenden Sachen und zweitens nicht die Kraft) und Erdnusssoße
gezaubert.
Nach dem Abendessen ging es für Alina
und mich hoch auf die Dachterrasse, Matratze, Moskitonetz und
Gummibärchen eingeschlossen. Ein letztes Mal – vorerst – vor dem
Einschlafen quatschen.
Der nächste Morgen begann früh.
Erstmal Koffer fertig packen. Dann die letzten Sachen für die Mädels
vorbereiten, Koliko zum Mittagessen und Kuchen nachmittags mit allen
zusammen. Um 17h schon kam M. Sani, um mich für den Flughafen
abzuholen. Gepäck abgeben, Geschenk bekommen, weinen, Foto,
verabschieden, nochmal weinen und ab in den Flieger. Viel zu schnell
ging die Zeit rum und ich saß im Flugzeug. Was ein komisches Gefühl.
Jetzt sitze ich grade in Paris am
Flughafen und warte auf der Boarding, was in wenigen Minuten beginnen
wird. Es wird also nichts mehr mit Hochladen. Warum sind die Wege in
diesem Flughafen auch so weit? Dann halt von Zuhause aus.
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Die Tänzerinnen dieses spectacles, im Hintergrund seht ihr Victoire, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mittanzen konnte. |
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Oho, das sieht nach Tränen aus. Und nach meinem Geschenk. |
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Meine Midjo Familie |
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Auch mit Maniok kann man verrückte Dinge machen. |
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Meine Jungs, auch, wenn einer fehlt. |
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Abschiedsfotos! |
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Riz au gras... |
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... und Pizza |
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Unser Frühstück am Strand, wenn auch nur ein Teil davon. |
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Unser Fufu, ein riesiges Danke an Vale und Cindy |
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Und dann stehen sie da, meine gepackten Sachen. |
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Danke für alles! |
Ich werde diesen Post nicht mit
Momenten beenden, denn da wüsste ich nicht wo ich anfangen und wo
ich aufhören soll, dabei ist der Eintrag jetzt schon viel zu lang.
Also gibt es nur Bilder. Ich werde mich aber bestimmt nochmal melden
wie es so ist, wieder in Deutschland zu sein und was so meine Pläne
sind, wobei das auch ein spannendes Thema ist, die ändern sich
nämlich fast täglich.
Ein riesiges Dank an dich, liebe
Leserin und lieber Leser. Ihr seid wirklich klasse, dass ihr meine
langen Texte aushaltet!
Liebste Grüße
einer-unglaublich-verwirrten,
Mara <3